Wespen stechen auch im November

von Iwan Wyrypajew
aus dem Russischen von Stefan Schmidtke
Bei wem war Markus letzten Montag? Auf der Suche nach einer wahrheitsgemäßen Antwort auf diese Frage dreht Robert sich im Kreis. War er bei seiner Frau Sarah, wie diese behauptet? Oder war er bei seinem Freund Donald, der das auch behauptet? Wem soll er glauben? Hatte Sarah wirklich eine Affäre mit Markus? Und hat Donald tatsächlich den Finger seiner Frau gegessen? Und was hat Gott mit alldem zu tun?

„Mir scheint mein Leben voller Widersprüchlichkeit auch im eigenen Handeln. Es erscheint mir unerfüllbar, Handeln, Sprechen und Denken als eins zu behaupten – obwohl wir das doch andauernd tun. Und diese Divergenz – das Auseinanderstreben, nicht Übereinstimmen, das Mehrdeutigsein – zwischen Sprechen, Denken und Handeln ist für mich zentral für diesen Theaterabend. Wir dürfen Figuren zusehen, die so gar nicht handeln, wie sie sprechen, die zwar Fragen stellen, aber keine Antworten hören, die das eine sagen, um das andere zu bewirken. All das sind Widersprüche, die sich innerhalb der Figuren ergeben – hierfür bemüht der Autor gar nicht erst das Außen, wie es in der Dramatik meist der Fall ist.

Es interessiert mich überhaupt nicht, wo Markus letzten Montag war, aber es interessiert mich, wie Menschen ihre Welten verteidigen und verzweifelt nach dem ‚Richtigen‘ suchen. Deswegen kreist der Abend für mich auch weniger um Suche nach Wahrheit, sondern um eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit: Meine Welt ist nun einmal genau so, wie ich sie wahrnehme – daher kann ich nur sehr schwer akzeptieren, dass deine Welt vielleicht ganz anders aussieht. Es macht Angst zu erkennen, dass meine Welt eben nur eine Wahrnehmung der Welt ist und keine Wahrheit repräsentiert. Das ist fatalerweise eine Überforderung für uns. Wir wollen oder können so schwer das Andere als gleichwertig akzeptieren. Wir tendieren dazu, das Andere, das Fremde als ‚falsch‘ zu bewerten. Es ist gut, den Blick darauf zu lenken. Mir hilft es im Denken.“ (Dieter Boyer, Auszüge aus einem Interview)

Iwan Wyrypajews „Illusionen“, 2011 in der Regie von Dieter Boyer am Schauspiel Chemnitz uraufgeführt und in der Folge an Theatern in Ungarn, Polen, der Schweiz und Russland nachgespielt, hat in „Wespen stechen auch im November“, einem erneuten Auftragswerk der Theater Chemnitz, seine furiose Nachfolge gefunden. Wiederum treibt der russische Autor seine Figuren in Sackgassen und Verstörungen, durch Ablenkungsmanöver, Bekenntnisse und Enthüllungen, hinein in eine unauflösliche Verwirrung. Aber vielleicht ist es auch nur der Regen, der nicht enden wollende Regen, der die Gemüter verstimmt. Bei wem Markus nun am Montag war, bleibt ungeklärt. Aber existiert dieser Markus überhaupt?
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Pressestimmen

LVZ
„Ein unterhaltsames Kammer-Verwirrspiel, das weit mehr ist als absurdes Theater.“
Premiere am 20. Oktober 2013

Spieldauer

ca. 1:15, keine Pause

Team

Regie: Dieter Boyer
Bühne und Kostüme: Ralph Zeger
Musik: Bernhard Fleischmann
Dramaturgie: Ester Holland-Merten
Licht: Veit-Rüdiger Griess

Trailer