Im Gespräch mit

Dirk Lange
Ensemblemitglied Dirk Lange probt aktuell für die Titelrolle in „Die Hermannsschlacht“. In der Inszenierung von Dušan David Pařízek kommt das, aufgrund seiner Rezeptionsgeschichte zu den streitbarsten Werken Heinrich von Kleists zählende, Stück am 03. Oktober zur Premiere. Nach der Probe erzählte er uns von der Zusammenarbeit mit dem Regisseur, seinen Lieblings-Theatermomenten und seinem Zugang zu Heinrich von Kleist.
Schauspiel Leipzig: Hast du schon einmal das Hermannsdenkmal besucht?
Dirk Lange: Der Witz ist, ich hatte es am vorletzten Urlaubstag vor. Aber man kommt gerade mit dem Zug nur bis Bielefeld und muss dann in den Schienenersatzverkehr umsteigen. Man fährt also fünf oder sechs Stunden. Schienenersatzverkehr ist einfach nicht meins, aber sobald die Schienen wieder liegen, werde ich hinfahren. Ich freu mich schon drauf!

SL: Macht es für deine Arbeit einen Unterschied, dass Hermann im Gegensatz zu anderen Theaterfiguren einen historischen/mythischen Vorgänger hat?
DL: Ja, das hängt natürlich auch mit dem Regisseur zusammen, der ganz klar einen politischen Abend daraus machen und eben nicht nur Hermann als germanischen Helden zeigen will. Das ist ja schon bei Kleist nicht der Fall. In dem Text steckt so viel an persönlicher Verletzung drin, dass nicht viel von „‚Rumtata‘ und ‚Deutschland, Deutschland, über allem‘“ zurückbleibt. Stattdessen reflektiert man, was zu diesem Zeitpunkt in Deutschland begonnen hat.

SL: Du arbeitest mit Dušan nicht zum ersten Mal zusammen. Wie würdest du die Arbeit mit ihm beschreiben?
DL: Er ist viel reifer geworden. Lacht. Ich auch. Es war zu Kölner Zeiten, das ist 15 Jahre oder so her. Da war er noch ein junger Wilder, jetzt ist er mittlerweile ein mitteljunger Etablierter. Ich fand die Arbeit damals schon toll mit ihm, weil sie sehr intelligent, sehr politisch gedacht, ist. Sehr dramaturgisch, manchmal nicht sehr fleischlich, aber dann gibt er Gedanken rein und du weißt sofort, in welche Richtung es gehen soll. Es ist wie früher, aber noch mehr auf Augenhöhe. Wir spielen uns die Bälle in einem irren Tempo zu und das ist toll.

SL: Hattest du mit Heinrich von Kleist vorher auch schon mal zu tun?
DL: Ich war vor langer Zeit der Prinz von Homburg. Da war es auch schon so, dass ich mich schon beim Lesen gefragt habe, wie ich diesen Text jemals auch nur ansatzweise richtig sagen soll. Aber irgendwann habe ich festgestellt, dass die einzige Chance, es jemals überhaupt zu sagen ist, es komplett richtig zu sagen. Es ist eher wie ein Liedtext, den man ja auch nicht verändern kann, weil er dann nicht mehr zur Melodie passt. Kleist muss man sich wirklich komplett ins Hirn hämmern, aber dann geht’s auch nicht mehr weg. Und dann wird die Sprache plötzlich zu meiner eigenen und ich kann mich normal mit meinen Mitmenschen auf der Bühne, oder auch den Mitmenschen im Saal, unterhalten. Das gibt eine totale Freiheit.

SL: Würdest du wieder Schauspieler werden wollen?
DL: Ja! Ich kann ja gar nichts anderes. Lacht. Ich kann zwar alle Berufe spielen, aber ob ich sie auch sein könnte, weiß ich nicht so genau. Ich wäre bestimmt ein super Arzt, ein super Erzieher, ich wäre, glaube ich, auch ein ganz guter Psychologe – aber das alles studieren… Nee, ich bin gerne Schauspieler!

SL: Was ist dein Theater-Lieblingsmoment?
DL: Ich gehe wahnsinnig gerne zur Arbeit. Also, ich würde sogar sagen, fast jeden Morgen. Das hängt natürlich immer ein bisschen von der Regie ab. Ich freue mich auf meinen Kaffee morgens, darauf, noch mal den Text durchzugehen, und dann los zur Arbeit. Ich glaube, das sind die guten Momente im Theater: mit Kollegen gemeinsam eine Sprache finden, lachen, Humor entwickeln, man selbst sein können – das ist mein Lieblingsmoment.

SL: Du singst ja auch gut und gerne. Wo oder für wen singst du am liebsten?
DL: Ich singe gern allein zu Hause, also dann anscheinend für mich – sonst ist ja keiner da. Gerne auch Lieder, die mir viel bedeuten, die traurig sind, wo ich dann zu Hause ein bisschen weinen kann. Das funktioniert auch ganz gut auf der Bühne, wenn ich z. B. bei „Kitsch und Krempel“ Lieder mitbringen kann. Die singe ich für mich und für das Publikum. Bei manchen Liedern denke ich an einen bestimmten Menschen und singe auch für ihn, weil er gerade nicht da ist oder nie wieder da sein wird. Ich glaube, für mich ist Singen überhaupt ein gutes Gefühl.

SL: Gibt es eine Frage, die du Hermann gerne stellen würdest?
DL: „Hermann, was um Himmels Willen hat dir denn an den Römern nicht gefallen? Hätte man das nicht anders regeln können? Was hattest du denn gegen den Fortschritt? Du lieber Himmel, es hat doch eigentlich geklappt, es lief doch. Dann sind sie halt mal kurz die Besatzer, aber mein Gott, das assimiliert sich doch gegenseitig und da findet man doch andere Wege. Krieg als Lösung klappt nicht. Damals wie heute. Wo ist der andere Weg?“