Im Gespräch mit

Marie Rathscheck
Marie Rathscheck ist seit der Spielzeit 2017/18 festes Ensemblemitglied am Schauspiel Leipzig. Aktuell probt sie für die Produktion „atlas“, die am 27.01.2019 in der Diskothek zur Uraufführung kommt.
Schauspiel Leipzig: Wie ist deine gegenwärtige Geistesverfassung? 

Marie Rathscheck: Ganz gut, nur ein bisschen müde. Aber wenn die Sonne strahlt, geht’s mir immer gut. 

SL: Was gefällt dir an der Beschäftigung mit Gegenwartsdramatik? 

MR: Oft wird Gegenwartsdramatik ausgespielt gegen ältere Stücke oder den Literaturkanon. Ich finde aber, dass beides seine Berechtigung hat. An zeitgenössischen Stücken mag ich die Mannigfaltigkeit der Perspektiven. Ich finde, es ist gerade auch für Schauspielerinnen eine Möglichkeit, andere Rollen zu entdecken, abseits der ja oftmals auch veralteten Frauenrollenbilder in klassischen Texten.
Und bezogen auf „atlas“ finde ich toll, dass es so ortsspezifisch geschrieben wurde. Das hat auch meinen Blick auf Leipzig verändert. Ich laufe jetzt ganz anders durch die Straßen. Das ist eine Qualität, die zeitgenössische Stücke auf jeden Fall haben. 

SL: In „atlas“ treffen Stimmen aus verschiedenen Zeiten aufeinander. Welcher Person aus der Vergangenheit würdest du gerne begegnen? 

MR: Es wäre auf jeden Fall jemand, von dem es kein Videomaterial gibt. Ich würde sagen, Franz Kafka, weil ich ihn als Autor sehr liebe und gerne wissen würde, wie seine Stimme klang, wie er als Person war.  Aber eigentlich würde ich lieber jemanden aus der Zukunft treffen. 

SL:  Du hast ja auch Szenisches Schreiben studiert. Warum hast du dich entschieden, Schauspielerin zu werden anstatt Autorin? 

MR: Für mich ist es kein „statt“, sondern ein „sowohl als auch“. Ich schreibe immer noch. Ich würde sagen, es ist vielleicht ein bisschen so wie Yin und Yang: Beim Schreiben hat man die Kontrolle, man hat alle Fäden in der Hand. Beim Spielen geht es auch viel darum, Kontrolle abzugeben und anderen zu vertrauen. 

SL: Liest du in deiner Freizeit auch Theaterstücke oder eher Romane? 

MR: Ich versuche auf jeden Fall auch Theaterstücke zu lesen. Aber dadurch, dass ich hier am Schauspielhaus natürlich immer wieder Stücke lese, lese ich in meiner Freizeit lieber Romane. 

SL: Welche Bücher liegen gerade auf deinem Nachttisch? 

MR: „Die Sanfte“ von Dostojewski, „En finir avec Eddy Bellegueule“ von Édouard Louis und eine Compilation von Sibylle Berg, die Abschiedsbriefe von Frauen an Männer gesammelt hat. Vor dem Schlafengehen lese ich gerne mal so einen Trennungsbrief. Da bekommt man einen guten Eindruck davon, wie unterschiedlich Beziehungen sein können und das ist stellenweise sehr lustig.