Der Prozess 2.0
Ein Schuldlabyrinth nach Kafka

Artists in Residence 14: von und mit Interrobang (Berlin)
„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Ähnlich wie dem Protagonisten in Kafkas Roman „Der Prozess“ kann es einem in der Leistungs- und Kontrollgesellschaft des 21. Jahrhundert ergehen, in der Menschen zu unerbittlichen Richtern ihrer selbst werden: Bin ich erfolgreich genug? Hätte ich mein bisheriges Leben auch sinnvoller nutzen können? Mache ich das Beste aus meinen Fähigkeiten und Begabungen? Stimmt meine Work-Life-Balance? Bin ich mit meinem Leben zufrieden und falls nein, bin ich dann nicht letztlich selber schuld? Die Kontrolle, die in Kafkas Roman noch von außen kam, wird heute nach innen verlagert: Man verleumdet, beschuldigt und verurteilt sich selbst, ohne etwas im rechtstaatlichen Sinne „Böses“ getan zu haben. Anstatt die Gesellschaft zu kritisieren, problematisiert man sich selbst, anstatt der Gewerkschaft beizutreten, geht man zum Therapeuten.

Nach Interrobangs Big-Data-Spiel „To Like or Not to Like“, das sie in der Spielzeit 2014/15 in der Residenz realisierten, bei dem mithilfe des Publikums und von selbst geschriebenen Computerprogrammen eine Datensammlung erstellt und ausgewertet wurde, widmen sich Interrobang in ihrem neuen Projekt „Der Prozess 2.0“einer ganz spezifischen Facette der gegenwärtigen neoliberalen Gesellschaft: dem inneren Gericht des selbstverantwortlichen Menschen.
Im Rückblick auf verblüffend gegenwartsrelevante Motive in Kafkas Klassiker kehren Interrobang in „Der Prozess 2.0“ das innere Gericht des selbstverantwortlichen Menschen nach außen und unterziehen es einem öffentlichen Prozess. Dafür errichten Interrobang ein undurchschaubares Labyrinth aus Verdächtigungen, geheimen Aufträgen, obskuren Verfahrensweisen und neuartigen Delikten: ein installatives Theaterlabyrinth, durch das sich die ZuschauerInnen — jede/r in der „Rolle“ des Josef K.  — hindurchnavigieren.
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Pressestimmen

mephisto97.6
„'Der Prozess 2.0' führt die ständige Selbstverurteilung ad absurdum. Bei all der kafkaesken Verwirrung gibt es aber auch Momente der Situationskomik.“
LVZ
Ein „gewitzter und clever konstruierter Performance-Abend.“
Premiere am 17. September 2016

Besetzung

Till Müller-Klug, Nina Tecklenburg, Lajos Talamonti, Elisabeth Lindig als Von und mit

Team

Dramaturgie: Kaja Jakstat
Bühne & Kostüme: Sandra Fox
Musik: Friedrich Greiling
Produktionsleitung: Ehrliche Arbeit – Freies Kulturbüro
Hospitanz: Katharina Öttl, Daniela Schroll

Trailer

Eine Koproduktion von Interrobang mit Sophiensaelen Berlin und Schauspiel Leipzig. In Kooperation mit Schwankhalle Bremen. Gefördert durch den Regierenden Bürgermeisters von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, den Fonds Darstellende Künste e.V. und die Rudolf Augstein Stiftung.