Auftragswerk des Schauspiel Leipzig

Eriopis (UA)

Medeas überlebende Tochter erzählt alles
von E. L. Karhu
aus dem Finnischen von Stefan Moster
Ein Scheidungskind, ein Waisenkind. Eriopis lebt nach der Trennung ihrer Eltern Medea und Jason mit ihren Zwillingsbrüdern bei der Mutter im hohen Norden zwischen Schlittenhunden im Schnee. Bis die undenkbare Tat geschieht und ein Kind alleine bleibt.

Mit Eriopis wagt die finnische Autorin E. L. Karhu eine radikale Überschreibung des Medea-Stoffes, der durch die Jahrhunderte eine Vielzahl von Nacherzählungen und Auslegungen erfahren hat. Medea, die je nach Version des Mythos ihre eigenen Kinder tötet, ist bei Karhu eine distanzierte Mutter, von der die Tochter Eriopis wenig Zuneigung erfährt. Der Vater ist abwesend, das Kind ist auf sich gestellt. Nachdem die Mutter und die Geschwister verschwunden sind, holt der Vater sie zu sich in die Stadt. Wie wird ein Kind mit solch einer Geschichte erwachsen? Das Stück konzentriert sich ganz auf die Perspektive von Eriopis und lotet die Möglichkeiten aus, sich aus dem Erlebten herauszuarbeiten.

Mit diesem Auftragswerk setzt das Schauspiel Leipzig die Zusammenarbeit mit E. L. Karhu fort, die mit der deutschsprachigen Erstaufführung ihres Stückes „Prinzessin Hamlet“ in der Diskothek begann. E. L. Karhu lebt in Helsinki und arbeitet als Dramatikerin und Dramaturgin. Das thematische Interesse ihrer Stücke kreist vielfach um die Ethik menschlichen Handelns sowie um das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft. Die Autorin untersucht in ihrem Schreiben neue dramatische Formen und die Grenzen der Bühnensprache.

Anna-Sophie Mahler inszeniert mit dieser Uraufführung zum ersten Mal am Schauspiel Leipzig. Sie ist sowohl als Schauspiel- wie auch als Opernregisseurin tätig, u. a. am Staatstheater Stuttgart, am Theater Basel und an der Bayerischen Staatsoper. Ihre eigene freie Gruppe CapriConnection zeichnet sich durch die Verwebung von dokumentarischen Texten mit Musik und Bild aus. Mit ihrer Inszenierung von „Mittelreich“ an den Münchner Kammerspielen wurde Anna-Sophie Mahler zum Theatertreffen 2016 nach Berlin eingeladen. 2017 wurde sie mit zwei Arbeiten auf der Biennale Teatro in Venedig als Künstlerin vorgestellt.

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Pressestimmen

Die deutsche Bühne
„Dabei entstehen starke Bilder mit Sogeffekt.“
kreuzer
„Der Abend wirkt wie ein sich drehendes Kaleidoskop, in dem das Licht immer wieder auf andere Glitzersteinchen fällt.“
Kunst und Technik
„Anna-Sophie Mahlers Regie vermag den anspruchsvollen Text wirkungsvoll und unverkopft dem Publikum zu offerieren.“
Leipziger Internet Zeitung
„Yuka Yanagihara, die in der Leipziger Inszenierung die meiste Zeit die Rolle der Eriopis verkörpert, beeindruckt besonders durch ihr aggressives, ausdrucksloses Starren, mit welchem sie das Publikum schon erwartet, als dieses den Saal betritt. Die zweite Hauptdarstellerin, Julia Berke, wird zur Erzählerin, zeitweise auch Journalistin, die die stumme Eriopis mit Fragen löchert. Dabei wechseln die beiden Schauspielerinnen hin und wieder die Rollen. […] Untermalt wird das Stück durch das Klavierspiel von Michael Wilhelmi, der zusätzlich Vater Jason spielt. Er holt teils unerwartete Sounds aus seinem Flügel: Mal sind es theatralische Klänge, die an Jumpscares aus Horrorfilmen erinnern, mal ist es entspanntes Pianogeklimper, mal ein fröhliches, fast poppiges Stück.“
Leipziger Volkszeitung
„Sopranistin Yuka Yanagihara sucht als Eriopis ihre Sprache zwischen Stummheit, Lautmalerei und Liedgesang (Kompositionen: Michael Wilhelmi). Das ist ebenso konsequent wie der Rollentausch zwischen ihr und Julia Berke, die, halb als Moderatorin, halb als Analytikerin in Eriopis’ Inneres zu dringen versucht. Mahler inszeniert die Metamorphose als Spiegelung und Emanzipationsbewegung zugleich.“
nachtkritik
„Ja, man kann Euripides verändern, allerdings nur wenn man ihm auf Augenhöhe beikommen kann. Und genau das gelingt der Autorin E.L Karhu und der Regisseurin Anna-Sophie Mahler in dieser singulären Medea-Version. Einmal nicht das Drama der Verirrungen durch überschießende Leidenschaft, sondern derjenigen Aufmerksamkeit schenken, die darunter zu leiden hat – ein Leben lang. […] Die nicht leicht zu realisierende Aufgabe war: Handlung hauptsächlich durch Sprache zu imaginieren. Doch Autorin und Regisseurin verfügen auch über diesen Zauber – mit intensiven Sprachbildern und einem kongenialen Einsatz von Videoprojektionen sowie Lichtatmosphären in Rosa und Lindgrün.“
taz
„Sprachlich sind das oft starke Bilder und Berke liefert einen gut akzentuierten Vortrag.“
Uraufführung am 06. März 2020

Spieldauer

ca. 1:50, keine Pause

Team

Autorin: E. L. Karhu
Bühne & Kostüme: Katrin Connan
Komposition: Michael Wilhelmi
Dramaturgie: Georg Mellert
Licht: Thomas Kalz
Theaterpädagogische Betreuung: Babette Büchele

Trailer

Nominiert für das nachtkritik-Theatertreffen 2021