Im Rahmen von „Pay attention!“

Letzter Aufguss

Ein (Teil-)Abriss von DARUM
Leipzig in der nahen Zukunft: Die Visionen für die Neugestaltung des geschichtsträchtigen Matthäikirchhofs sind nach lebhafter Diskussion in Beton gegossen und die Arbeit kann beginnen. Ein integratives, multikulturelles Viertel für die Stadt der Zukunft soll entstehen, konzipiert unter Mitwirkung der Leipziger Stadtgesellschaft – nachhaltig, gemeinwohlorientiert, vorwärtsgewandt, lebendig.

Doch etwas brodelt unterm Fundament der seit den 80er Jahren das Areal überschattenden ehemaligen Stasi-Zentrale. Denn im Untergrund sitzen und schwitzen die unversöhnten Geister der Vergangenheit(en) — und warten in den verlassenen Keller-Räumlichkeiten der einstigen Stasi-Sauna darauf, endlich Gehör zu finden.

Inspiriert von der bewegten Geschichte des Areals Matthäikirchhof geht das Wiener Kollektiv DARUM der Frage nach, welche unversöhnten Themen und Konflikte der Vergangenheit in Form Sprengkraft bergender Potenziale ins Hier und Jetzt hineinwirken. Als immersive Performance zwischen Theaterstück und multimedialer Installation gibt „Letzter Aufguss“ seinem Publikum die Möglichkeit, einem breitgefächerten Figurenpersonal aus zahlreichen Jahrhunderten Leipziger Geschichte zu begegnen, und stellt dabei die Frage, wie wir die Zukunft im Angesicht einer sich zunehmend aufheizenden Gegenwart gestalten wollen.

Das Kollektiv DARUM um Victoria Halper und Kai Krösche (Regie) sowie Laura Andreß (Dramaturgie) wurde zweimal für den österreichischen Nestroy-Theaterpreis nominiert sowie zum Impulse Theater Festival eingeladen. Ihre bewusst die Grenzen des Dokumentarischen und Fiktiven verwischenden Arbeiten bewegen sich an zahlreichen ästhetischen Schnittstellen zwischen Performance, Installation, Film, Ton- und Videokunst.
Infos zur urbanen Langzeitbespielung: Pay attention!
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Pressestimmen

LVZ
Atmosphäre entsteht durch intensiv gespielte, manchmal fast verschwörerische Miniaturen, durch dunkle Nischen und Menschen in gespensterhaft weißen Bademänteln. Vor allem steckt das Geisterhafte in den Figuren selbst, die mit enttäuschter Hoffnung in ihrem Schicksal gefangen zu sein scheinen. Bei allem Fatalismus der Figuren entsteht Stationentheater nicht ohne Komik, das dazu anregt, über den Geist eines Ortes nachzudenken.
MDR Kultur
Ein total intensives Erlebnis, Theater auf absoluter Tuchfühlung – so nah so intensiv erlebt man die Schauspieler nie wieder und das ist nicht nur räumlich sondern auch von der Wirkung her gemeint.
nachtkritik
Besonders beklemmend wird es, wenn ein Mönch im Halbdunkeln erzählt, wie mit der Reformation sein Glauben als falsch galt und das Kloster aufgelöst wurde. Das Ringen um Wahrheit und Überzeugung gibt Andreas Keller glaubhaft, vor allem durch Stimme und Präsenz. Es gelingt auch allen anderen Schauspielenden gut, mit Genauigkeit, dem Sich-Verlassen auf die Sprache und die Wirkung durch die Nähe, ihre Stationen fesselnd zu bespielen. Dicht dran ist man an Dirk Lange, der schwule Geschichte mit Wende- und Nachwendeerfahrungen verstrickt. Wenn er von der Implosion des utopischen Moments spricht, als die neue deutsch-deutsche Gesellschaft sich doch nur als deutsche Gesellschaft entpuppte, ist das ergreifend. Und dann singt er, gesten- und trostlos dastehend und doch ein großes Bild abgebend, Depeche Mode: "Tonight / And I haven't felt so alive / In years". Diese historischen Labyrinthgänge sind intensiv.
Theater der Zeit
„Nach langen Einschränkungen dringt das Schauspiel Leipzig mit dem Festival Pay attention! in den Stadtraum. „Letzter Aufguss“ ist ein der ortsspezifischen Inszenierungen, die mit ihrer Umgebung und der städtischen Vergangenheit und Zukunft interagieren. Hier geht das Konzept der urbanen langzeitbespielung auf, denn es gelingt tatsächlich, einen vorher unzugänglichen Raum zu erschließen.“


Theater heute
[…] Hier werden eben nicht nur historische Schichten freigelegt, sondern Gemeinsamkeiten von unterschiedlichen Situationen in Schwingung versetzt. Die Sauna wird mit buntem Licht, Nebel und atmosphärischer Musik tatsächlich in einen Geisterkeller verwandelt.
Premiere: 28. Mai 2022

Matthäikirchhof, Eingang Klingertreppe, Zugang über Große Fleischergasse 12 oder Richard-Wagner-Straße am Richard-Wagner Denkmal, 04109 Leipzig

Spieldauer

ca. 2:00, keine Pause

Besetzung

Christoph Müller als Hausmeister
Sonja Isemer als Stadtplanerin
Eidin Jalali als Architekt
Thomas Braungardt als Schrepfer
Dirk Lange als Phoenix
Markus Lerch als Mitarbeiter
Andreas Keller als Gläubiger
Denis Grafe als Versehrter
Michael Pempelforth als Sisyphos

Team

Video & Recherche: Victoria Halper
Musik & Sounddesign: Kai Krösche
Ausstattung & Kostüme: Matthias Krische
Dramaturgie / Interviews & Recherche: Laura Andreß
Licht: Veit-Rüdiger Griess
Theaterpädagogische Betreuung: Babette Büchele

Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Leipzig, Dezernat Allgemeine Verwaltung, Referat Verwaltungsunterbringung, Standort Matthäikirchhof.

Eine Koproduktion von Schauspiel Leipzig und DARUM