„Die Maßnahme“. Realität und Fiktion

Prof. Karl Schlögel im Gespräch mit Dr. Jens Bisky (Süddeutsche Zeitung)
Brecht / Eislers „Maßnahme“ zeigt eine Veranstaltung der Kommunistischen Partei, in der vier Agitatoren von ihrer geheimen Mission nach China berichten. Im Auftrag, die Revolution unentdeckt nach China zu bringen, mussten sie zu der „Maßnahme“ greifen, einen fünften Agitator zu erschießen, der ihren Auftrag gefährdete. Von dieser Aktion berichten die Vier nun nach ihrer Rückkehr – als Berichterstatter, Ermittler, Verteidiger und Richter in einer (und eigener) Person. Die Partei spricht sie frei, im Namen der Aktion.

Vor dem Hintergrund dieser Konstruktion der „Maßnahme“ ist der Osteuropa-Historiker und Publizist Prof. Karl Schlögel im Gespräch mit Dr. Jens Bisky (Süddeutsche Zeitung) über die historischen Entwicklungen in der UdSSR und die stalinistischen Schauprozesse im Moskau der 1920er und 1930er Jahre – und über die Überschneidungen der fiktionalen „Maßnahme“ zu dieser Realität.

Beim Gastspiel des Schauspiel Leipzig zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2016 war Karl Schlögel bereits Gast in einem der Expertengespräche zu „Die Schutzflehenden / Die Schutzbefohlenen“ – das Gespräch mit Jens Bisky unter dem Titel „Europas neue Grenzen“ ist enthalten in dem Dokumentationsband der Expertengespräche, „Du weißt ja nicht, was die Zukunft bringt“ (Recherchen 124 bei „Theater der Zeit“).

Karl Schlögel ist einer der profiliertesten Osteuropa-Experten der Zeit. Von 1994 bis 2013 bekleidete er die Professur für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Zu seinen Themenschwerpunkten zählen die Kultur der Moderne im östlichen Europa und insbesondere Russlands, die Geschichte des „Stalinismus als Zivilisation“ sowie der Zwangsmigration und Kulturen der Diaspora im 20. Jahrhundert. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen „Moskau lesen“ (1984), „Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik“ (2003) sowie „Terror und Traum. Moskau 1937“ (2008). Zuletzt erschien in diesem Herbst „Das sowjetische Jahrhundert“, eine groß angelegte Alltagsrecherche und -geschichte des Lebens in Sowjetrussland.
Zu Karl Schlögels Auszeichnungen gehören der Sigmund-Freud-Preis für Wissenschaftsprosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung der Universität Darmstadt 2004, der Lessingpreis der Freien und Hansestadt Hamburg 2005 und 2006 sowie der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2009.
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